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Wer leuchtet wie, wann und warum?

WER, WANN?
Bei den Lampyridae, also den Leuchtkäfern im eigentlichen Sinn, leuchten die Jugendstadien (Ei, Larve und Puppe) bei allen Arten, vor allem als Reaktion auf Störungen. Die Larven zeigen oft auch ein kurzes spontanes Leuchten, vor allem beim nächtlichen Umherwandern. Das larvale Leuchten kann man bei uns in Deutschland am besten in dunklen (kein Vollmond, fernab künstlicher Beleuchtung, das Larven-Licht ist nicht besonders hell) Herbstnächten beobachten. Das störungsinduzierte Leuchten kann zwar auch tagsüber ausgelöst werden (Spontanleuchten scheint nur ab einer gewissen Dunkelheit aufzutreten), man wird es beim Vorbeigehen im Freiland dann aber kaum bemerken.
Deutlich auffälligeres Licht (heller und länger anhaltend) produzieren die Ausgewachsenen Tiere vieler Arten in der Nacht. In Deutschland ist dieses Schauspiel recht streng auf die Sommermonate Juni, Juli und August beschränkt. Die Adulten mancher Arten glimmen allerdings lediglich wie die Larven nur etwas bei Störungen (z.B. Phosphaenus hemipterus) oder leuchten praktisch gar nicht mehr ("dark fireflies").

WIE?
In aller Kürze: Eine chemische Reaktion produziert das Licht. Ein bestimmter Stoff reagiert mit Luftsauerstoff. Die dabei freiwerdende Energie wird zu nahezu 100% in Form von Licht ("kaltes Licht", weil – in Gegensatz zur Glühbirne, oder auch dem Nachfolger Energiesparlampe – fast keine Wärme entsteht) abgegeben. An den Seiten des Glüwurmkörpers sitzen die Stigmen, kleine Öffnungen durch die Luft, und damit auch Sauerstoff, in die Tracheen (sozusagen "Luftleitungsrohre) strömen kann. Von dort wird die Luft bis in feiner verzweigte Tracheolen geleitet. Von den Tracheolen kann der Sauerstoff dann auch zu den lichterzeugenden Zellen im Leuchtorgan diffundieren. Dort trifft er auf den "Leuchtstoff" Luciferin (selber Wortstamm wie in Luzifer, dem "Lichtbringer"). Das Enzym Luciferase katalysiert dann in Gegenwart von Magnesium (als Co-Faktor der Luciferase) sowie ATP (Adenosintriphosphat; die "Energie-Währung" der Zellen) als Energiequelle die Reaktion, bei der das Licht entsteht.
{Bei blinkend/blitzend leuchtenden Arten kann das Licht zwecks Erzeugung von Blinkmustern durch plötzliche Erniedrigung des Sauerstoffgehaltes im Bereich der Lichtproduktion (z.B. Rasches "Veratmen" durch zahlreiche Mitochondrien, den "Kraftwerken" der Zellen) sehr schnell ausgeschaltet werden.} Das Licht strahlt zwar nach allen Seiten hin ab, wird aber im Körperinneren von einer Schicht Reflektorzellen ebenfalls nach außen geleitet. Durch ein transparentes Fenster des Leuchtorgans gelangt des Licht schließlich nach außen,... und das Glühwürmchen glüht... Verschiedene Farben des Leuchtens sind vor allem durch verschiedene Arten von Luciferase möglich. Fast alle Arten leuchten aber nur in einer Farbe (meist grünlich, gelblich, bläulich, seltener rot).
Eine sehr empfehlenswerte Internetseite zum Thema Organismenleuchten und ähnliche Phänomene ist die Lumineszenz-Website von D. Weiss (externer Link)!

WARUM?
Dass die erwachsenen Glühwürmer und Leuchtkäfer der Partnersuche wegen leuchten ist lange bekannt und heutzutage schon fast Allgemeinwissen. Wenn man im Sommer leuchtende Wiesen bestaunt, sind das nichts anderes als "Leuchtkäfer-Partnerbörsen". Während bei den einfach nur konstant glimmenden Arten das Weibchen mehr oder weniger einfach nur nach Art eines Leuchtturms Männchen in seine Nähe lotst, haben sich bei Arten mit blinkend/blitzender Beleuchtung arteigene "Morsecodes" entwickelt nach denen sich die Partner der passenden Art finden.
Dabei sagt das Männchen von Art X durch sein Blinkmuster: "Hallo, hier bin ich, ein paarungsbereites Männchen der Art X!" Ein Weibchen sieht das Blinken und antwortet entsprechend: "Gut, und ich bin ein paarungsbereites Weibchen der Art X!"
Nordamerikansche Photinus-Leuchtkäfer-Männchen, haben allerdings nicht immer Glück dabei. Photuris-Leuchtkäfer-Weibchen haben ihren Code geknackt und locken die liebestollen Photinus-Leuchtkäfer-Männchen an, um sie zu fressen!

Das Leuchten der noch nicht geschlechtsreifen Larven, Puppen und Eier dagegen war früher ein großes "Darwinsches Rätsel"... -> Wofür sollte DAS nur eine Anpassung an das Leben als Lampyride sein?! Es wurden zahlreiche z.T. abenteuerliche Theorien ersonnen, um zu erklären warum die Evolution "leuchtende Leuchtkäfer-Babies" hervorgebracht hat. Abgesehen davon, dass es auf so eine Frage nie eine einzige absolut richtige Antwort geben kann – schon gar nicht für alle etwa 2000 heutigen Arten der Lampyridae, scheint ein Erklärungsansatz eine gute Näherung an diese Ideal-Antwort:
Es gilt (vereinfacht gesprochen für den ursprünglichen Fall), dass Lampyriden für viele Insektenfresser übelschmeckend oder sogar giftig sind. Man kann das Leuchten dann als Warnhinweis an potenzielle Räuber interpretieren.

Ein besser bekanntes Beispiel: Der tagaktive Marienkäfer gibt Fressfeinden mit seinem markanten Punkemuster zu verstehen "versuch es erst gar nicht, ich schmecke fürchterlich" (Stichwort Marienkäfer-"Pipi", die an den Beinen bei Störung abgesonderte übel riechende und ekelerregende Hämolyphe). Je auffälliger die Art, der Warnung, desto besser kann gelernt werden, derartige Beute zu meiden. Man spricht von Aposematismus. Abgesehen von individuellem Lernen können räuberische Arten auch im Laufe der Evolution "gelernt" haben die leuchtende Beute zu meiden (wenn "Leucht-Beute-Meider" eine höhere Fitness hatten). Bei einer nachtaktiven Leuchtkäferlarve wären bunte Farbmuster als Warnung nutzlos ("Nachts sind alle Katzen grau..."), daher versucht sie durch Leuchtsignale ihren Feinden klar zu machen, dass sie nicht als Snack geeignet ist.

Wenn eine solche Larve auf einen erfahrenen Räuber trifft, dem schon von "Leucht-Beute" schlecht geworden ist, so vermeidet der Räuber eine weiterer Magenverstimmung (oder Schlimmeres) und die Larve überlebt die Begegnung. Typischerweise braucht es nur wenige Versuche bis ein Raubtier gelernt hat eine bestimmte auffällige Beute, die Übelkeit hervorruft, zu meiden. Wir kennen ein ähnliches Phänomen. Wenn uns nach dem Genuss einer bestimmten Mahlzeit einmal richtig schlecht geworden ist, weigern wir uns oft noch lange diese nochmals zu versuchen...

Es konnte gezeigt werden, dass entsprechende potenzielle Leuchtkäferfressfeinde tatsächlich Leuchten mit Ungenießbarkeit assoziieren können (z.B. De Cock & Matthysen (1999), Underwood (1997)). Damit sind hier auch Mimikry-Komplexe (vereinfacht: Mehrere Arten haben das gleiche Warnsignal, machen sich also "gegenseitig nach", aber nicht alle sind zwangsläufig gleichermaßen ungenießbar/giftig; es können auch vollkommen genießbare/ungiftige "Betrüger-Arten" dabei sein; für viele Varianten gibt es extra Namen z.B. Batessche M., Müllersche M.) analog zu denen von z.B. schillernden tropischen Schmetterlingen denkbar.


Abgesehen von dem Leuchten als Warnung vor Ungenießbarkeit, ist denkbar, dass es auch bei völlig naiven Räubern (insbesondere nachtaktiven und solchen mit eher unterirdischer Lebensweise) das Aufglimmen eine simple Schreckreaktion auslöst ("startle response" als oft verwendeter Anglizismus).

Eine gängiges Szenario zur Evolution des Leuchtens, insbesondere von dessen "Zweck", ist das folgende (vgl. z.B. Branham & Wenzel (2003)):
Leuchtende Tiere zeigen, dass sie nicht "gut schmecken" -> bei Erwachsenen Tieren tritt das Leuchten zusätzlich in den Dienst der Partnerfindung (also ein evolutiver "Funktionswechsel", Exaptation oder auch als Anglizismus "Co-option" genannt) -> dies führte bei manchen Taxa zur Entwicklung zusätzlicher Leuchtorgane für die Erwachsenen und bewirkte auch das Entstehen komplexer Verhaltensweisen wie den artspezifischen "Morsecodes" und dem synchronen Blinken/Blitzen großer Gruppen von Leuchtkäfern.
Sekundär kann das Leuchten auch wieder an Bedeutung für die Partnerfindung verlieren und damit bei den Erwachsenen wieder reduziert werden (z.B. bei Phosphaenus hemipterus). In diesem Fall spielen z.B. Pheromone wieder eine größere Rolle. Andererseits können aber auch wieder weitere Exaptationen stattfinden (wie z.B. bei den oben erwähnten Photuris-Weibchen, die übrigens mit den angelockten Photinus-Männchen nicht Nahrung, sondern aus deren Körpern auch noch mehr eben jener chemischen Schutzstoffe erhalten, die diese Leuchtkäfer ungenießbar machen).

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Zum Schluss
noch einmal ein kurzer Überblick über das Leuchten der in Deutschland heimischen Leuchtkäferarten (siehe auch "Deutsche Leuchtkäferarten"):

Lampyris noctiluca:
Hier leuchtet das flugunfähige erwachsene Weibchen, um Männchen zur Paarung anzulocken. Das erwachsene Männchen leuchtet nicht, sondern fliegt nur mit großen Augen in geringer Höhe und sucht Weibchen... Die Larven leuchten vor allem spontan bei ihren nächtlichen Unternehmungen in dunklen Herbstnächten, sowie bei Störungen, wenn sie besonders vollgefressen sind oder sich häuten wollen und daher nicht so gut zu Fuß fliehen können.
Lampyris noctiluca hatte im Übrigen die Ehre als wohl erster europäischer Leuchtkäfer auf das Vorhandensein von Substanzen, die für die Ungenießbarkeit verantwortlich sein könnten, untersucht worden zu sein (Tyler et al. (2008)). Bisher waren vor allem nordamerikanische Arten in dieser Hinsicht erforscht worden.
Es sieht ganz so aus, als wären ähnliche Substanzen im Spiel wie bei den Amerikanern (Tyler et al. (2008))...
Weiterhin scheinen Lampyris noctiluca-Larven sich nicht nur im Dunkeln mit ihrem Licht aposematisch vor Räubern der Nacht zu schützen. Mittels des markanten Fleckenmusters warnen sie am Tag (tagaktiv als "walkabout larvae") visuell orientierte Fressfeinde (De Cock & Matthysen (2001)). Und als dritte Option gibt es noch ein olfaktorisches Warnsignal für hauptsächlich geruchssinnorientierte Prädatoren wie Ameisen (Fu et al. (2009), Tyler et al. (2004)). Lampyris noctiluca sendet also noch auf anderen Kanälen seinen Warnhinweis aus...

Lamprohiza splendidula:
Auch hier leuchtet das flugunfähige erwachsene Weibchen, um Männchen zur Paarung anzulocken. Zwar leuchten die fliegenden Männchen ebenfalls, dies scheint aber keinen Einfluss auf die Partnerwahl des Weibchens zu haben. Vielleicht soll dies ja Fledermäuse vor dem kulinarischen Fehltritt des Leuchtkäfer-Naschens warnen? Die Larven leuchten scheinbar nicht spontan und bei Störungen auch nur in Phasen kurz vor einer Häutung.

Phosphaenus hemipterus:
Hier glimmen die in beiderlei Geschlecht flugunfähigen erwachsenen Tiere nur bei Störungen auf. Die Larven leuchten auch noch spontan. Für die Partnersuche spielen hier Pheromone die entscheidende Rolle: Die tagaktiven Männchen spüren mit ihren riesigen Fühlern dem Duft der versteckten Weibchen nach.